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Ruth Zetzsche und Katja Hergenhahn ist es gelungen, die perfekte Mischung zu finden zwischen Recherche und Inszenierung. Der Abend ist ebenso informativ, lehrreich und bildend wie kurzweilig, spannend und abwechslungsreich. Die Recherchearbeit allein wäre schon aller Ehren wert, die Aufbereitung für die Bühne ist es umso mehr. Die Autorinnen haben die Antworten der befragten Frauen geschickt montiert und überblendet. Die einzelnen Sprecherinnen bleiben anonym, die Zitate werden keinen Einzelpersonen zugeordnet. Zetzsche verkörpert diejenigen, die von Ost nach West zogen, Hergenhahn die anderen, deren Lebensweg von West nach Ost verlief. Die Erfahrungen, über die die befragten Frauen berichten, weisen über die deutsch-deutsche Geschichte hinaus. Sie stehen generell für die Erfahrungen vieler, die ihr gewohntes Umfeld verlassen (müssen). Ergänzt wird diese persönliche Perspektive durch gut dosierte Einordnung von außen. Zitiert werden Schriftstellerinnen, Wissenschaftler, Politiker, Zeitungsartikel. Dramaturgisch wird das schön gelöst: Die Bühne steht voller Umzugskartons, aus denen die beiden Frauen während ihres gespielten Umzugs Bücher holen. Numerische Fakten über Ost und West präsentieren sie bei einem Kartenspiel, bei dem die höchste Zahl siegt, sei es Arbeitslosigkeit oder Orgasmushäufigkeit. In einem Logopädie-Kurs kann sich das Publikum mit den Darstellerinnen den sächsischen Tonfall abgewöhnen. Ich würde dem Stück eine Wiederaufnahme wünschen. Denkbar wäre auch die Fortsetzung dieser Arbeit in einem anderen Medium. Sandra Trauner, Dez.23

Das Stück ist große Kunst: berührend, erhellend und nachdenklich machend. In unglaublicher Verdichtung reflektieren die Künsterlinnen kurzweilig, humorvoll ohne Moralin und Anklage, das breite Spektrum der Wiedervereinigungserfahrungen. Es ist von ernster Heiterkeit. Die für mich verblüffendste, neue Erkenntnis war, die Enttäuschung vieler Menschen aus Ostdeutschland darüber, dass im Westen anders als erwartet und erhofft, kein informierter, freier politischer Diskurs gepflegt wird, sondern Selbstvergewisserung und Gruppenidentitätsbildung dominieren. Einander zuhören könnte der Schlüssel zu Vielfalt in Einheit sein. Uns allen ist es zu wünschen, dass das Stück ein breites Publikum findet. Kinka Gerke, Dez.23

Die Performance ist äußerst spannend. Mit wenigen Mitteln, nur ein paar Umzugskisten und ihrem Inventar, wird eine ganze Epoche, die Zeit nach der Wiedervereinigung, heraufbeschworen und zurück in die Erinnerung gerufen. Das Ganze ist emotional sehr dicht, die Bandbreite geht von lustig bis tieftraurig, wie bei dem Lied von Bettina Wegner zum Beispiel. Es ist deswegen emotional so dicht, weil auch für mich bzw. die Zuschauerinnen persönlich prägende Lebensphasen wiederauferstehen: Der Auszug von den Eltern, die erste eigene Wohnung, das erste eigene Geld, eine tolle Job-Gelegenheit. Und so laufen vor dem inneren Auge mit den sehr unterschiedlichen Erinnerungen und Stimmen der beiden Protagonistinnen von Ost nach West und umgekehrt auch die eigenen Erinnerungen ab. Man kann sich wiederfinden, interessanterweise sogar in beiden Erinnerungssträngen. (Ich habe mir zum Beispiel auch meinen hessischen Dorfdialekt abgewöhnt.) Der Habitus der beiden ist superfein nuanciert und stimmig in Tonfall, Körperhaltung, Sprachstil, Mimik, Gestik. Und am Ende geht man raus und fragt sich: Was war das eigentlich, die Wiedervereinigung, wie war diese Zeit danach? Was hat man da selber (nicht) erlebt? Mit welcher Haltung hat man die Dinge (nicht) wahrgenommen und (nicht) gesehen und für selbstverständlich genommen. Und wie prägt das noch heute unsere Gegenwart. Das lädt zum Nachdenken ein. Margit Binz, Dez. 2023

Das Stück zeichnet die speziellen Befindlichkeiten der Wende-Phase in Ost und West nach und es gelingt, diese auch atmosphärisch abzubilden. Als Zuschauerin tauche ich richtig in diese so besondere Zeit ein - dass das nur mittels vorgetragener Statements und Dialoge gelingt, ist umso verblüffender. Zuschauerin im Dez.23

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